Psychische Gesundheit betrifft uns alle – auch im Alter. Doch gerade ältere Menschen erleben einschneidende Veränderungen: körperliche Einschränkungen, Verluste oder soziale Isolation. Florian Rutz, Pflegeexperte APN Mental Care bei Spitex Zürich, erklärt, warum dieses Thema so wichtig ist und wie Unterstützung konkret aussehen kann.
Florian, du bist seit zwei Jahren bei Spitex Zürich tätig. Was genau ist deine Aufgabe?
Florian Rutz: Ich begleite als Pflegeexperte APN ältere Menschen mit psychischen Belastungen. APN bedeutet «Advanced Practice Nurse», das sind Pflegefachpersonen mit einem Masterabschluss. Mein Hintergrund liegt in der psychiatrischen Pflege, zum Beispiel auf Akutstationen oder in der Therapie älterer Menschen mit Depressionen. Bei Spitex Zürich bringe ich dieses Wissen in die ambulante Pflege ein. Mein Ziel ist es, Kundinnen und Kunden so zu unterstützen, dass sie trotz psychischer Herausforderungen möglichst selbstständig bleiben, eine gute Lebensqualität haben und psychisch gesund sind.

Was genau verstehst du unter psychischer Gesundheit?
Die Weltgesundheitsorganisation beschreibt sie als Zustand des Wohlbefindens, in dem Menschen ihre Fähigkeiten ausschöpfen, mit Belastungen umgehen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wichtig ist mir der Gedanke, dass psychische Gesundheit und psychische Krankheit keine Gegensätze sind. Man bewegt sich auf einer Spannbreite. Auch jemand mit einer Diagnose kann über starke Ressourcen verfügen und ein erfülltes Leben führen.
Welche Faktoren sind im Alter besonders entscheidend?
Auf der Ressourcenseite sind es vor allem soziale Kontakte, ein aktiver Alltag, Interessen und Humor. Auf der Belastungsseite stehen Einsamkeit, körperliche Erkrankungen, Verlusterfahrungen oder auch eine eingeschränkte Mobilität. Dazu kommt, dass psychische Probleme im Alter oft übersehen werden. Wenn jemand traurig oder erschöpft wirkt, heisst es schnell: «Das ist halt normal im Alter.» Aber das stimmt nicht. Depression oder Angst sind auch im Alter Erkrankungen, die behandelt werden sollten. Gleichzeitig erleben wir, dass ältere Menschen weniger oft um Hilfe bitten.
Kannst du ein konkretes Beispiel schildern?
Eine unserer Kundinnen ist 72 Jahre alt, lebt allein und wurde wegen körperlicher Erkrankungen schon länger von Spitex unterstützt. In den letzten Monaten hat sie sich stark zurückgezogen. Für uns war klar: Hier geht es nicht nur um die körperliche Pflege, sondern auch um die psychische Gesundheit. Seither begleiten wir sie einmal pro Woche im Rahmen der Mental Care. Wir arbeiten mit ihr an einer Tagesstruktur, überlegen gemeinsam, welche Aktivitäten ihr Freude bereiten, und üben Strategien ein, um mit depressiven Symptomen umzugehen. Wichtig ist, dass die Ziele von unseren Kundinnen und Kunden selbst bestimmt werden.
Was können ältere Menschen für ihre psychische Gesundheit tun?
Ganz zentral ist es, den Kontakt zu anderen Menschen zu pflegen – sei es durch regelmässige Gespräche, Vereinsaktivitäten oder Gruppenkurse. Bewegung und Zeit in der Natur wirken sich positiv auf die Stimmung aus. Auch Achtsamkeit und Entspannungstechniken können helfen. Sehr wertvoll ist die Selbstreflexion: Tagebuchschreiben oder sich bewusst zu machen, was im Leben wichtig war und noch wichtig ist. Und schliesslich: Frühzeitig Hilfe anzunehmen – sei es von Angehörigen, Pflegefachpersonen oder Beratungsstellen. Psychische Gesundheit bleibt ein Leben lang entwickelbar.
Was motiviert dich an dieser Arbeit?
Für mich ist es sehr erfüllend zu sehen, wie kleine Schritte grosse Wirkung haben können. Wenn eine Kundin nach einer längeren depressiven Phase wieder Freude an einer Aktivität findet oder sich traut, in einer Gruppe mitzumachen, ist das ein grosser Erfolg. Es geht nicht darum, dass alles perfekt wird, sondern darum, Lebensqualität und Selbstvertrauen zurückzugewinnen.
Spitex Zürich bietet mit dem Bereich Mental Care professionelle Unterstützung. Unsere Pflegefachpersonen stehen Kundinnen und Kunden sowie ihren Angehörigen zur Seite – flexibel, individuell und mit dem Ziel, dass ein selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause möglich bleibt.
Spitex Zürich-Referat
Besuchen Sie uns an einem unserer Spitex Zürich-Referate. Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Voranmeldung möglich. An den Spitex Zürich-Referaten, die zusammen mit der Reformierten Kirche organisiert werden, erhalten Sie direkt von unseren Fachexpertinnen und -experten wertvolle Impulse zu den Themen psychische Gesundheit im Alter und zum Umgang mit chronischen Erkrankungen. Anschliessend können Sie sich bei Kaffee und Kuchen austauschen.
Oder erfahren Sie mehr im Webinar «Psychische Gesundheit im Alter».