Seit über 25 Jahren zieht Christian Graf als Samichlaus durch Zürich: Der Pflegefachmann HF Mental Care und Ehrenamtliche der St. Nikolausgesellschaft Zürich spricht im Interview über die Veränderungen der Rolle eines Samichlaus’, berührende Begegnungen und wie ihm sein psychiatrisches Fachwissen sogar beim Chlausen hilft.
Wie bist du zum Samichlaus geworden und was fasziniert dich an der Rolle?
Seit 1999 bin ich als Samichlaus für die St. Nikolausgesellschaft Zürich unterwegs. Damals suchte der Verein per Zeitungsinserat neue Mitglieder. Ich habe mich beworben und war wenig später zum ersten Mal im roten Gewand unterwegs. Die Figur hat mich schon immer berührt. Ich finde es schön, eine lebendige Tradition mitzugestalten. Sobald ich die Kutte anziehe, fühle ich mich jedes Mal tatsächlich wie der Samichlaus.

Wie hat sich die Rolle über die Jahre verändert?
Früher war der Samichlaus eine Autoritätsperson, die auch Angst einflössen konnte: Er tadelte und schimpfte. Heute ist er eher ein wohlwollender Begleiter, der Freude bringt und höchstens mal sanft den Mahnfinger hebt. Was geblieben ist: Ich kann in dieser Rolle auch heikle Themen ansprechen. Das Leuchten in den Augen der Kinder berührt mich jedes Mal. Auch Erwachsene reagieren fast immer positiv. Das war schon immer so.
Was steckt hinter der Figur des Samichlaus?
Samichlaus und Schmutzli erinnern mit ihren Besuchen an den heiligen Nikolaus. Er lebte im vierten Jahrhundert in der heutigen Südtürkei, erbte ein grosses Vermögen und verschenkte es nach und nach. Er starb am 6. Dezember.
Wie kann man dich als Samichlaus buchen?
Die St. Nikolausgesellschaft Zürich organisiert jedes Jahr rund 800 Besuche bei über 1000 Anfragen. Wer einen Samichlaus buchen möchte, sollte sich frühzeitig melden. Der Verein wurde 1947 gegründet und ist politisch sowie konfessionell neutral. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Ich bin an fünf bis sechs Tagen im Einsatz und besuche dabei etwa 50 Familien. Mich direkt zu buchen, ist jedoch nicht möglich.
Gibt es ein Erlebnis, das dir speziell in Erinnerung geblieben ist?
Solche Momente gibt es viele und sie überraschen mich oft gerade in Augenblicken, in denen ich es am wenigsten erwarte. Ausserordentlich eindrücklich waren Besuche an speziellen Orten: in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies, im Zirkus Conelli oder im Kinderspital. Ein Höhepunkt ist jedes Jahr der grosse Samichlaus-Umzug durch die Zürcher Bahnhofstrasse. Angeführt vom Märlitram, folgen geschmückte Wagen und eine Schar von Samichläusen und Schmutzlis. Das ist immer ein magischer Moment.
Wenn du nicht Samichlaus bist, arbeitest du als Pflegefachmann HF in einem Mental Care Team. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Unsere Hauptaufgabe ist es, Menschen mit psychischen Erkrankungen im Alltag zu unterstützen, damit sie möglichst selbstbestimmt leben können. Ich beginne meinen Arbeitstag morgens direkt von zu Hause aus und mache vier bis fünf Hausbesuche pro Tag. Einmal pro Woche treffen wir uns im Team, um Fälle zu besprechen und uns gegenseitig zu unterstützen.
Was fasziniert dich an deinem Beruf?
Mich berührt das Vertrauen, das mir die Menschen entgegenbringen. Oft teilen sie sehr Persönliches mit mir – ein Zeichen grosser Offenheit und Wertschätzung. Dieses Wissen verpflichtet: Es verlangt Achtsamkeit, Respekt und Diskretion. Gleichzeitig ermöglicht es mir, meine Erfahrung und mein Fachwissen gezielt einzusetzen und spürbar zu unterstützen. Diese Verbindung von Vertrauen und Wirksamkeit empfinde ich als besonders erfüllend.
Hilft dir das Engagement als Samichlaus auch im Beruf?
Eher umgekehrt: Mein Berufsalltag hilft mir beim Chlausen. Als Pflegefachmann HF mit Schwerpunkt Psychiatrie bin ich im Umgang mit schwierigen Situationen geübt. Das kommt mir in der Aufgabe als Samichlaus oft zugute.
Bei Spitex Zürich seit: 2016
Stellenprozent: 100 Prozent
Pflegefachperson HF mit Schwerpunkt Mental Care
Eine Pflegefachperson HF im Mental Care Team bei Spitex Zürich übernimmt eine zentrale Rolle bei der Begleitung von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in psychischen Krisen. In einem Gespräch werden gemeinsam mit der betroffenen Person – und bei Bedarf deren Angehörigen – die Ziele sowie Umfang und Inhalte der Pflege festgelegt. Im Fokus steht die Förderung von Selbstbestimmung und Lebensqualität: Dies gelingt über Beratung, Begleitung im Alltag, Aufbau einer sinnvollen Tagesstruktur sowie Aktivierung eigener Ressourcen. Eine Pflegefachperson HF unterstützt beim Aufbau und Erhalt sozialer Beziehungen, erarbeitet mit der Kundin oder dem Kunden Bewältigungsstrategien und begleitet konkrete Alltagssituationen.
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