Die kleine Dreizimmerwohnung ist an diesem ersten schönen Tag nach einer langen Regenzeit abgedunkelt. Die Räume sind zweckmässig eingerichtet. Es fällt auf: Hier wohnt jemand mit viel Begeisterung für Figuren aller Art. Das Wohnzimmer besticht durch eine Vielzahl von Ton- und Krippenfiguren bis hin zu Puppen. Frau K. sitzt auf ihrem kleinen Balkon, beschattet von einer Reihe farbenprächtiger Blumen – ihre zweite grosse Leidenschaft.
«Gestern war kein guter Tag»
Heute hat Frau K. Besuch von der Psychiatriepflegefachfrau Tamara, welche seit zwei Jahren bei Spitex Zürich im Team der psychosozialen Pflege arbeitet. «Ich betreue Frau K., seit ich angefangen habe, und besuche sie wöchentlich», sagt sie. Frau K. leidet an manisch-psychotischen Zuständen. Dieses Krankheitsbild tritt schubweise auf und geht mit Symptomen wie Wahngedanken und Halluzinationen einher. Die kürzlich pensionierte Dame hat viel Erfahrung im Umgang mit ihrer Erkrankung und musste bereits einige Male stationäre Unterstützung in Anspruch nehmen. Der letzte Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik erfolgte im Januar.
«Gestern war kein guter Tag. Ich war mit meiner Schwester im Brocki unterwegs und hatte eine Panikattacke.» Bei Frau K. rufen grössere Menschenmengen Herzrasen, Zittern und Schweissausbrüche hervor. Sie bedauert den abrupten Abbruch eines zu Beginn schönen Nachmittags. Bedacht und ruhig geht Tamara auf die Erzählung von Frau K. ein, hakt nach und ordnet ein. Sie kennt diese Attacken von ihrer Kundin und erarbeitet gemeinsam mit ihr Strategien, wie sie zukünftig mit solchen Situationen umgehen kann. «Bei unserer Arbeit ist es wichtig, auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden einzugehen. Basierend auf den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen schauen wir gemeinsam, wie der Alltag bewältigt werden kann», erklärt Tamara.
Der Besuch des Brockenhauses war Frau K. wichtig. Bei ihrem letzten manisch-psychotischen Schub hatte sie einige liebgewonnene Figuren weggegeben, die sie nun wieder zurückbekommen möchte. Die engagierte Psychiatriepflegefachfrau zeigt auf, wie ein Weggeben der Puppen bei einem nächsten Krankheitsschub verhindert werden kann.
Eine einfühlsame Unterstützung
Gemeinsam gehen sie in die kleine Küche und bereiten die Medikamente für die kommende Woche vor. «Frau K. nimmt Psychopharmaka ein», erläutert Tamara und öffnet die verschlossene Box mit den Medikamenten. Eine Nebenwirkung ist Müdigkeit. Frau K. braucht viel Schlaf, rund zwölf Stunden täglich. «Meine Schwester sagt mir immer, ich verpasse mein Leben», seufzt Frau K. bedrückt. Tamara kennt diese Stimmung bei ihrer Kundin und weiss, wie sie sie wieder aufheitern kann. Sie sprechen über Reisen und die Erfahrungen aus der Vergangenheit von Frau K. «Sie hat ein riesiges Allgemeinwissen», erzählt Tamara. Sie spricht sehr gerne mit Frau K. und kann viel von ihr lernen. Auch die in Kürze stattfindende Street Parade und ein Markt im Albisgüetli werden zum Thema – schon bald ist die Stimmung wieder heiter.
Die Einsatzkoordination mit anderen Diensten von Spitex Zürich kommt zur Sprache. Frau K. erhält zwei Mal pro Woche zusätzlich Hilfe für den Einkauf und den Haushalt. Um die Einsätze abzustimmen, notiert Tamara einige Hinweise für ihre Kolleginnen und Kollegen. «Die Vernetzung mit anderen Stellen, Fachpersonen und Angehörigen ist sehr wichtig, sodass im Ernstfall schnell gehandelt werden kann.» Vor der Einweisung in die psychiatrische Klinik Anfang Jahr wurde so auch Tamara für die Beurteilung der Situation von Frau K. miteinbezogen.
Nach einer Stunde ist der Einsatz vorbei. Frau K. wirkt gelöster als zu Beginn des Besuchs. Sie begleitet Tamara zur Tür. «Nächste Woche erzählen Sie mir, wie der Markt im Albisgüetli war», sagt Tamara neckend. Frau K. lächelt und verabschiedet sich.
Kommende Woche wird Tamara die Kundin wieder besuchen. «Ich nehme die Kundinnen und Kunden so, wie sie sind, und versuche, das Beste aus jeder Situation herauszuholen», erklärt Tamara abschliessend mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht.
Psychosoziale Betreuung
Wenn eine psychische Krise oder Erkrankung den Alltag zur Herausforderung macht, unterstützt Spitex Zürich die betroffenen Menschen zu Hause. Auch Jugendliche finden bei uns Unterstützung.