Pflegeexpertin APN bespricht sich mit Kundinnen und Kunden
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Neue Wege der Grund-versorgung

Spitex Zürich Sihl hat im CASE-Projekt aufgezeigt, wie die Rolle «Pflegeexpertin APN / Pflegeexperte APN» entwickelt werden kann. Ein Projektziel war, die Zusammenarbeit zwischen Hausarztpraxen und Spitex-Organisation neu zu definieren. Es braucht Zeit, bis sich eine neue Zusammenarbeit etabliert hat. Doch dann profitieren Hausarztpraxis, Spitex-Organisation sowie Kundinnen und Kunden.

von Jeanine Altherr, Pflegeexpertin APN-CH

Demographische und epidemiologische Entwicklungen führen zu vermehrtem Auftreten verschiedener Krankheitsbilder wie dementielle, chronische sowie psychische Erkrankungen. Gleichzeitig nimmt die Komplexität der Pflege und Betreuung zu. Der Bedarf nach einer koordinierten und interprofessionellen Unterstützung von zu Hause lebenden Personen mit chronischen Erkrankungen und kognitiven Beeinträchtigungen und ihren Angehörigen ist ungedeckt.

Spitex Zürich Sihl hat in einem wissenschaftlich begleiteten Projekt aufgezeigt, wie die Rolle einer Pflegeexpertin APN in der Versorgung von älteren Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen entwickelt, implementiert und evaluiert werden kann.

Projektziele

Übergeordnetes Projektziel war, neue Aufgabenbereiche, Kooperationsprozesse und den dazu notwendigen Informationsfluss sowohl innerhalb der Spitex-Organisation als auch mit externen Partnerorganisationen der Grundversorgung zu verbessern.

Das Projekt wurde CASE – Coordinated APN Support for the Elderly – genannt. CASE verfolgte zwei Hauptziele:
Etablierung

  1. einer erweiterten pflegerischen Praxis durch den Einsatz von APN für Personen mit chronischen Leiden und kognitiven Beeinträchtigungen,
  2. einer integrierten pflegerisch-hausarztmedizinischen Versorgung (Zusammenarbeit Hausarzt/ärztin).

Definition und Entwicklung der Rolle einer Pflegeexpertin APN innerhalb einer Spitex-Organisation benötigen Zeit und eine gute Kommunikation, auch mit externen Kooperationspartnern. Es muss mit einer mehrjährigen Entwicklungsphase gerechnet werden. Aufgaben, Rollenverständnis und Zusammenarbeitsformen müssen auf verschiedenen Ebenen geklärt und entwickelt werden. Eine Ebene betrifft die Rollenentwicklung und Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen, auf die später detaillierter eingegangen wird.

Projektdesign

CASE fokussierte auf drei Risikogruppen und zwei Zuweisungswege. Es wurden fünf Gruppen definiert:

  • Gruppe 1: Personen über 65 mit veränderter Kognition
  • Gruppe 2: Zuweisung durch Hausärztinnen und Hausärzte
  • Gruppe 3: gebrechliche Personen über 80 (Frailty)
  • Gruppe 4: Personen über 80 nach Spitalaufenthalt
  • Gruppe 5: Zuweisung durch Fallführende.

Das Projekt schloss während der 18 Monate langen Laufzeit 102 Kundinnen und Kunden ein. Die Gruppenzuweisung erfolgte aufgrund ihrer Häufigkeit.

  • Die grösste Gruppe mit 36 % betraf Personen mit kognitiven Einschränkungen. Das Ziel, dass Pflegeexpertinnen APN Personen mit kognitiven Einschränkungen betreuen, konnte erreicht werden.
  • Ähnlich gross (35 %) war die Gruppe «Zuweisung durch die Fallführung». In der Organisation besteht Bedarf nach der Expertise einer Pflegexpertin APN in hochkomplexen Situationen.
  • Bei 23 % erfolgten Zuweisungen durch Hausarztpraxen. Im Projektverlauf konnten die Zuweisungen von 1 Zuweisung, während 6 Monaten, auf durchschnittlich 1,8 Zuweisungen pro Monat gesteigert werden.
  • Die Gruppen «Gebrechlichkeit» sowie «Personen nach Spitalaufenthalt» machten zusammen 6 % aus und konnten noch nicht systematisch von CASE profitieren.

Abbildung Gliederung in Gruppen beim CASE-Bericht

Demografische Daten

72 % der durchschnittlich 81-jährigen Kundinnen und Kunden waren weiblich, über 67 % lebten alleine. 28 % der Kundinnen und Kunden bewerteten ihren Gesundheitszustand als schlecht und 50 % äusserten eine Verschlechterung in den letzten drei Monaten. Das multidimensionale geriatrische Screening ergab Auffälligkeiten etwa bei einer Abnahme der Sehfähigkeit, durch Gedächtnisstörung und Polypharmazie.

Interventionen durch Pflegeexpertinnen APN

Insgesamt wurden 1106 Interventionen durchgeführt, die eine Handlung an, mit oder indirekt für Kunden beschreiben. Am häufigsten (40 %) wurden therapeutische Massnahmen mit und am Kunden durchgeführt. Die Massnahmen gliedern sich in Schulung und Beratung (15 %), Behandlung (17 %) und Anleiten von Fertigkeiten (8 %). Insgesamt wurden 5161 Arbeitsstunden dokumentiert, davon 42 % direkt für Kundinnen und Kunden (inklusive Wegzeit). Nur 26 % der Arbeitsstunden wurden als verrechenbare Zeit erfasst.

Grafik Gliederung Interventionen durch Pflegeexpertinnen APN

 

Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen

Das APN-Team wurde im neu erbauten Gesundheitszentrum Friesenberg einquartiert. Es beherbergt verschiedene Gesundheitsdienstleistern, auch eine MediX-Hausarztpraxis. Erst mit der Zeit etablierte sich die Kooperation mit der MediX Praxis Friesenberg. Unterschiedliche Erwartungen und Voraussetzungen für die Zusammenarbeit wurden anfangs deutlich. Für die Hausarztpraxis gab es administrative und organisatorische Hürden. Die Integration einer Pflegeexpertin APN in den Berufsalltag war schwierig. Rahmenbedingungen wie Finanzierung und rechtliche Voraussetzungen sind in der Schweiz bis anhin nicht gegeben. Erst nach dem Entscheid, dass eine Pflegeexpertin APN einen Tag pro Woche im Rahmen eines Praktikums in der Hausarztpraxis tätig sein sollte, konnte die Zusammenarbeit etabliert werden. Die Pflegeexpertin APN vertiefte Wissen und Praxis im klinischen medizinischen Assessment. Gleichzeitig konnten Arbeitsfelder der Pflegeexpertin APN in der Hausarztpraxis definiert und die interprofessionelle Zusammenarbeit entwickelt werden.

Die Umsetzung führte schnell zu Erfolgen in der interprofessionellen Zusammenarbeit. Das gegenseitige Kennen und Wissen um die Fähigkeiten und Grenzen der Pflegexpertin APN scheint der Schlüssel zur erfolgreichen Zusammenarbeit zu sein. Die räumliche Nähe und die direkte Kooperation ermöglichten eine unkomplizierte, effiziente und umfassende Betreuung von gemeinsamen Patientinnen und Patienten. Sowohl die Hausarztpraxis als auch die Pflegexpertin APN hatten eine Ansprechperson, mit der Fragen und Probleme einfach und unkompliziert geklärt werden konnten. Die Kenntnis der Fähigkeiten der Pflegeexpertin APN durch die Hausarztpraxis ist eine Voraussetzung, dass der Interpretation der Untersuchungsresultate der APN vertraut und darauf basierend der weitere Therapieprozess abgesprochen werden kann.

Grafik Mehrdimensionales Screening

 

Projekterfolg

Die Kundinnen und Kunden waren sehr zufrieden mit der Betreuung durch die Pflegeexpertinnen APN. Sie schätzten die fachliche Expertise und den Einbezug in Entscheidungen sehr. Es gab jeweils eine direkte Ansprechperson. Kundinnen und Kundinnen empfanden in 88 % der Fälle die APN-Intervention als hilfreich, 98 % wünschten weitere Besuche durch die Pflegeexpertin APN. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausarztpraxis und Pflegeexpertinnen APN über einen längeren Zeitraum führt zu einer Basis, die neue Formen der Zusammenarbeit möglich macht. Die Hausarztpraxis kann sich auf eine hoch qualifizierte Pflegeexpertin APN verlassen, die auch Hausbesuche macht. Die Pflegeexpertin APN und damit auch die Spitex-Organisation gewinnen in der engen Zusammenarbeit mit einer Hausarztpraxis an medizinischem Fachwissen und die Möglichkeit, Unklarheiten rasch zu klären. Schliesslich profitieren Kundinnen und Kunden durch die Verknüpfung dieser medizinischen und pflegerischen Expertise. Ungeklärt ist die angemessene finanzielle Entschädigung einer Pflegeexpertin APN. Hier besteht Handlungsbedarf. Spitex Zürich Sihl treibt die Entwicklung vom Konzept «Pflegeexpertin APN» weiter voran.