Die Pflege- und Betreuungsarbeit ist eine Aufgabe, die sowohl emotional als auch körperlich anspruchsvoll sein kann. In jedem Fall macht sie Sinn. Es ist sehr wichtig, dass Angehörige nicht die gesamte Last des Pflegens und der Betreuung allein tragen. Für die qualitativ und fachlich hochstehende Pflege braucht es ausgebildete Pflegefachleute. Im Interview erläutert Daniela Bühler, COO bei Spitex Zürich, wie optimale, personenzentrierte Pflege gelingen kann.
Das Pflegen von Angehörigen ist für viele Menschen eine Herausforderung. Warum ist es so wichtig, dass diese Aufgabe nicht ausschliesslich allein bewältigt wird? Das Pflegen von Angehörigen erfordert eine emotionale und körperliche Belastbarkeit. Wer diese Verantwortung allein trägt, der riskiert, sich selbst zu überfordern. Es ist sehr wichtig, dass pflegende Angehörige Unterstützung erhalten, sowohl von ausgebildeten Pflegefachpersonen als auch von anderen Profis. Die Bedürfnisse einer pflegebedürftigen Person sollen möglichst umfassend erfüllt werden. Qualität in der Pflege bedeutet immer, dass die zu pflegende Person im Mittelpunkt aller Massnahmen steht, sie also personenzentriert ist. Fachwissen, Erfahrung und emotionale Unterstützung müssen zusammenkommen, damit eine optimale Pflege möglich wird.

Was unterscheidet die professionelle Pflege vom Pflegen durch Angehörige? Professionelle Pflege und Betreuung basiert auf fundiertem Wissen und Erfahrung. Eine ausgebildete Pflegefachperson kann mithilfe von Beobachtungen, Gesprächen und spezifischen Instrumenten den Zustand einer Person beurteilen und darauf abgestimmte Massnahmen einleiten. Dabei wird sie die Lebensqualität in den Mittelpunkt stellen. Angehörige bringen eine starke emotionale Bindung mit, die wertvoll, jedoch gleichzeitig oft auch belastend sein kann. Diese sehr persönlichen Gefühle können Entscheidungen erschweren.
Wie wirkt sich diese emotionale Bindung konkret auf das Pflegen aus? Eine enge Beziehung zur pflegebedürftigen Person bringt Sorgen, Ängste und Befürchtungen mit sich. Zum Beispiel kann es schwierig sein, jemanden davon zu überzeugen, notwendige Pflegehandlungen zuzulassen, wenn man sich in einem inneren Konflikt zwischen Pflichtgefühl und Zuneigung befindet. Diese emotionale Belastung beim Pflegen durch Angehörige erschwert oft die nötige Distanz, welche die professionelle Pflege bieten kann. Hier können Pflegefachpersonen helfen, da sie über die notwendige Neutralität und Erfahrung verfügen.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Pflegefachpersonen? Die Zusammenarbeit ist grundlegend und sehr wichtig. Eine optimale Pflegesituation entsteht nur, wenn Angehörige, Pflegefachpersonen und andere Fachleute wie Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen oder Therapeuten eng zusammenarbeiten. Jede Seite deckt eine wichtige Perspektive ab. Angehörige kennen die Bedürfnisse und Vorlieben der pflegebedürftigen Person oft sehr genau, während Pflegefachpersonen eine objektive und professionelle Sichtweise einbringen.
Zu welchen Herausforderungen kommt es, wenn Angehörige rund um die Uhr pflegen? Angehörige, die diese Aufgabe allein bewältigen, geraten oft an ihre Grenzen. Ihnen fehlt die notwendige Erholungszeit, und die ständige Verantwortung kann zu körperlicher und emotionaler Erschöpfung führen. Ohne Unterstützung kommt es schnell zu Überlastung und Stress, was sowohl der betroffenen Person als auch den pflegenden Angehörigen schadet. Daher ist es unverzichtbar, dass pflegende Angehörige durch Pflegefachpersonen entlastet werden, die mit ihrer Expertise und Erfahrung wichtige Unterstützung leisten können.
Wie können Pflegefachpersonen dabei konkret helfen? Pflegefachpersonen haben technisches Wissen und die Fähigkeit, schwierige Gespräche zu führen. Sie können Angehörige bei Entscheidungen über medizinische Massnahmen oder beim Umgang mit dem Lebensende beratend begleiten. Ihr Blick von aussen hilft, emotionale Spannungen zu reduzieren und realistische Lösungen zu finden. Diese objektive Perspektive ist besonders dann wertvoll, wenn pflegende Angehörige selbst Mühe haben, Entscheidungen zu treffen, oder sich in einer schwierigen Situation überfordert fühlen.
Welche Bedeutung hat die Ausbildung von Pflegefachpersonen in diesem Zusammenhang? Eine gute Berufsausbildung und Weiterbildungen sind die Basis für qualitativ hochwertige Pflege. Die Pflege ist ein komplexer Beruf, der tiefgehendes Wissen über den menschlichen Körper, über Heilungsprozesse und Krankheitsmechanismen erfordert. Gleichzeitig müssen Pflegefachpersonen über kommunikative und soziale Kompetenzen verfügen, um auf die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person einzugehen. Ausbildungsinhalte wie Beobachtung, Gesprächsführung und Konfliktmanagement helfen, schwierige Situationen konstruktiv zu bewältigen.
Welche Rolle werden Angehörige in der Zukunft einnehmen, wenn die Pflege zunehmend in den ambulanten Bereich nach Hause verlagert wird? Die Bedeutung des Pflegens durch Angehörige wird weiter zunehmen. Doch die Entwicklung birgt auch Risiken, denn die Anforderungen an Angehörige steigen. Sie können diese Aufgabe nur dann bewältigen, wenn klare Rollen und Zuständigkeiten definiert sind. Pflegefachpersonen sollen die Angehörigen befähigen und begleiten, um eine hohe Qualität beim Pflegen sicherzustellen. Langfristig wird es darauf ankommen, die Zusammenarbeit zwischen professionellen Pflegekräften und Angehörigen weiter zu verbessern.
Wie können Angehörige besser auf ihre Aufgaben vorbereitet werden? Schulungen und Beratungsangebote für Angehörige sind entscheidend. Dabei geht es nicht nur um praktische Fertigkeiten, sondern auch um die Vermittlung von Wissen. Auch Angehörige brauchen Unterstützung, um sich emotional und mental auf diese Aufgabe einzustellen. Die Umsetzung ist anspruchsvoll. Nicht alle Menschen bringen die gleichen Voraussetzungen für die Pflegearbeit mit: Sie ist komplex, anspruchsvoll und darum auch so interessant – sie macht Sinn und ist erfüllend!