Heldin
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«Heldin» zwischen Film und Pflege

Der 53-jährige Bündner Jürg Plüss spielt den anstrengenden Patienten im aktuellen Erfolgsfilm «Heldin». Wie der ausgebildete Pflegehelfer SRK seine Arbeit bei Spitex Zürich und seine zahlreichen Schauspiel-Engagements unter einen Hut bekommt, erzählt er im Interview mit dem Spitex Magazin.

Jürg Plüss, Sie spielen im Film «Heldin» einen Patienten, der unheilbar krank ist. Gleichzeitig arbeiten Sie seit 2022 als Pflegehelfer SRK bei Spitex Zürich. Hat Ihnen Ihre Arbeit bei der Vorbereitung auf Ihre Rolle geholfen? 

Ja, mir haben meine Erfahrungen bei der Spitex geholfen, mich in meine Rolle hineinzuversetzen. Menschen mit Schmerzen können ja verständlicherweise sehr «uhlidig» sein, auch wenn sie sonst sehr nett sind. Obwohl ich letzteres von meiner Figur jetzt nicht unbedingt behaupten würde. 

Zitat von Jürg Plüss

 

Haben Sie Ihrer Schauspielkollegin Leonie Benesch Tipps geben können? 

Nein, es war ja immer eine Pflegefachperson mit langjähriger Erfahrung am Set, die Leonie Tipps gegeben und sie nötigenfalls korrigiert hat. Leonie hat ein Praktikum in einem Spital gemacht und ist nicht nur im Schauspiel, sondern auch bei der Arbeit mit den Requisiten unheimlich präzise. 

Welcher Moment hat Sie beim Filmdreh von «Heldin» am meisten berührt? 

Meine letzte Szene, die ja sehr emotional sein musste und auch herausfordernd war. Dazu muss man wissen, dass ich dabei grosse Speziallinsen trug, die den ganzen Augapfel bedeckten, um die gelben Augen zu zeigen - die man schlussendlich dann kaum sieht. Jedenfalls trockneten dadurch meine Augen immer wieder aus, was beim Weinen nicht gerade hilfreich war. Zudem durfte ich mir auch nicht ins Gesicht fassen, da mir die Maske künstliche Barthaare angeklebt hatte. Somit war dieser ganze emotionale Zusammenbruch auch eine sehr technische Angelegenheit, die mich aber trotzdem sehr berührt hat. 

Der Film bewegt aktuell die Schweiz und im Speziellen die Pflegeszene. Wie erklären Sie sich den Erfolg? 

«Heldin» ist wichtig und zeigt ein sehr realistisches Bild von der aktuellen Situation in der Pflege - nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa und der restlichen Welt. Die meisten Menschen waren schon einmal in so einer Situation wie die Leute im Film, sei es als Patient, Besucherin oder als Angehörige. Es ist eine bestechend einfache Geschichte, die alle verstehen. Ausserdem ist der Film auch einfach gut gemacht. 

Die Protagonistin erlebt im Film eine sehr hektische und auch belastende Schicht. Gibt es in Ihrer Arbeit in der Spitex-Pflege auch ruhigere Momente, in denen Sie das Gefühl haben, den Klientinnen und Klienten gerecht werden zu können? 

Die gibt es durchaus. So richtig strenge Schichten, ähnlich wie im Film, habe ich persönlich noch nicht erlebt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich ja auch noch nicht so lange dabei bin. Zudem arbeite ich Teilzeit, damit ich mir das zwischen meinen Film- und Theaterprojekten einteilen kann. Aber ich bekomme natürlich durch meine Kolleginnen und Kollegen schon mit, dass es immer wieder Situationen gibt, wo die Zeit knapp wird. 

Auftritte auf dem roten Teppich, Medientermine, Engagements in aller Welt: Viele von uns stellen sich den Alltag als Schauspieler sehr aufregend vor. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? 

Diese «aufregenden» Momente gehören einfach zu diesem Business dazu. Für mich ist aber die Arbeit, das Spielen, das wichtigste und auch das, was mir am meisten Spass macht. Nebst den aufregenden Momenten gibt es allerdings auch eine andere Realität: Man muss die Löcher zwischen den Engagements aushalten können - und das ist dann auf eine andere Art aufregend, vor allem dann, wenn man noch eine Familie hat. 

Wie bringen Sie Ihre Schauspielkarriere und Ihre Arbeit in der Pflege unter einen Hut? 

Das ist nur möglich, wenn man in einem Superteam arbeiten darf und einen guten Draht zu den Leuten hat, die den Schichtplan machen. Spass beiseite: Es ist eine Herausforderung. Meistens finden Fernseh- und Werbedrehs relativ kurzfristig statt, oder die Drehtage werden noch in letzter Minute umgestellt. Es ist ein grosser Vorteil, dass ich bei Spitex Zürich so flexibel arbeiten kann, und ich bin auch meinem Team dankbar, dass sie das mitmachen. Das würde sonst nicht gehen. 

Wie erleben Sie den Pflegealltag bei den Spitex-Klientinnen und -Klienten? Und was motiviert Sie am meisten in Ihrer Tätigkeit als Pflegehelfer? 

Ich erlebe ihn sehr positiv und mag den persönlichen Austausch mit den Leuten. In all die Leben hineinzusehen und ihre Geschichten und Schicksale zu hören, finde ich sehr spannend und auch inspirierend für meine Arbeit als Schauspieler. Mich motiviert das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, zu helfen und auf der menschlichen Ebene etwas zurückzubekommen. 

Sie spielen Schlagzeug in der Zürcher Band Larry Bang Bang. Welchen Stellenwert hat Musik in Ihrem Leben? 

Da halte ich es mit Nietzsche: «Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.» Das trifft bei mir definitiv zu. Musik ist, war und wird mit dem Alter sogar je länger, je wichtiger. Sie berührt mich zutiefst. Und Musik zu machen, mit tollen Leuten unterwegs zu sein und Konzerte zu spielen, macht einfach Spass. Andere gehen zum Sport, ich geh mit dem Sixpack unter dem Arm in den Probekeller und bin glücklich.

Interview: Eva Zwahlen 

Zur Person 

Jürg Plüss arbeitet als Schauspieler in der Schweiz und in Deutschland, sowohl für freie Bühnen wie auch für Film und Fernsehen. Er trat in Kinofilmen wie «Heldin», «Mittagsfrau», «Mario» oder «Platzspitzbaby» auf, spielte mehrmals im «Tatort» und diversen Krimis mit und war in Serien wie «Was wir fürchten», «Seitentriebe» oder «Bestatter» zu sehen. Aufgewachsen ist der 53-Jährige in Untervaz (GR). Nach seiner Ausbildung zum Bahnbetriebsdisponenten bei der Rhätischen Bahn absolvierte er von 1999 – 2001 eine Schauspielausbildung an der European Film Actor School (EFAS) in Zürich. Seit 2022 arbeitet der ausgebildete Pflegehelfer SRK bei Spitex Zürich. Mit seiner Familie lebt Jürg Plüss in Freudwil (ZH).