Daniela Bühler und Ursina Zehnder
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Ambulante psychosoziale Versorgung

Spitex Zürich stärkt die ambulante, psychosoziale Versorgung und hat aus einer Fachstelle das Hauptgeschäftsfeld Mental Care entwickelt. Am Veränderungsprozess haben externe Expertinnen und Experten sowie interne Fachpersonen in einem Co-Creation-Workshop mitgewirkt. Mental Care umfasst jetzt neun Teams, welche die ganze Stadt versorgen. Zwei weitere Teams unterstützen Randständige bzw. Jugendliche und junge Erwachsene. Die beiden Co-Projektleiterinnen Daniela Bühler und Ursina Zehnder, beide COO bei Spitex Zürich, geben im Interview einen Einblick in den Veränderungsprozess. 

Was war der Auslöser für die Entscheidung, die psychosoziale Versorgung neu auszurichten und Mental Care als eigenes Hauptgeschäftsfeld zu schaffen? 

Daniela Bühler: Bei der Entwicklung des neuen Betriebsmodells haben wir verschiedene Leistungssparten genauer angeschaut, auch die psychosoziale Versorgung. Vor zwanzig Jahren gab es eine Mitarbeiterin in dieser Sparte, vor zehn Jahren waren es bereits zehn Fachpersonen und heute sind es fünfzig. Diese Veränderung zeigt, dass die Stadtzürcher Bevölkerung in diesem Bereich immer mehr Unterstützung braucht. Mit der Entwicklung von einer Fachstelle hin zu einem Hauptgeschäftsfeld schaffen wir gute Voraussetzungen, um der künftigen Nachfrage nachkommen zu können. 

Wie verlief der Entwicklungsprozess im Hauptgeschäftsfeld und welche Phase war prägend? 

Daniela Bühler: Der Entwicklungsprozess hat fast ein ganzes Jahr gedauert. In unterschiedlicher Ausprägung waren alle Mitarbeitenden involviert, die psychosoziale Pflege anbieten oder die Teams unterstützen. Wir haben die Neuorganisation so gestaltet, dass wir in jeder Phase unsere Kundinnen und Kunden weiterhin gut versorgen konnten. 

Im Hintergrund haben wir die Teams neu zusammengesetzt, die Aufgaben geschärft und die Teams räumlich so zusammengeführt, dass sie alle an einem Ort ihre Sitzungen durchführen können. Zudem haben wir das Versorgungskonzept angepasst: Neu ist vorgesehen, dass in allen neun Teams auch Fachangestellte Gesundheit mit einer Vertiefung im Bereich psychosoziale Pflege arbeiten können und so die Grundversorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen optimiert werden kann. 

Schliesslich haben wir noch die Abläufe verbessert. Denn: Wer in einem Hauptgeschäftsfeld arbeitet, hat grundsätzlich eine andere betriebswirtschaftliche Vorgabe als Mitarbeitende, die in einer Fachstelle wirken. Dass wir dieses Ergebnis erzielen konnten, erfüllt mich mit Stolz. 

Ursina Zehnder: Für mich war der Co-Creation-Workshop besonders eindrücklich, den wir mit externen Stakeholdern organisiert und durchgeführt haben. Wir hatten Fachleute eingeladen, die massgeblich die psychiatrische Versorgung der Stadt Zürich gestalten, psychosoziale Leistungen erbringen oder wertvolle Inputs geben konnten. Es waren Vertreterinnen und Vertreter von psychiatrischen Kliniken, Hausärztinnen und Hausärzte, Pflegeforschende sowie Angehörige von Betroffenen etc. dabei. Das Ergebnis des Co-Creation-Workshops: Wir haben viele Lösungsansätze und Prototypen erarbeitet, mit denen wir nun gemeinsam mit den externen Stakeholdern weiterarbeiten können. Einige wenige Ideen sind bereits ins neue Hauptgeschäftsfeld eingeflossen. 

Spitex Zürich hat auch ein spezialisiertes Team für die Betreuung von Randständigen. Was sind die besonderen Herausforderungen dabei? 

Ursina Zehnder: Diese Menschen haben eigene Vorstellungen vom Leben und diese entsprechen nicht der Norm. Manchmal lehnen sie medizinische Behandlungen ab und wehren sich gegen Strukturen und Vorgaben. Wir begegnen ihnen mit der Grundhaltung, dass jeder Mensch selbst bestimmen darf, wie er sich ernährt, ob er Alkohol konsumiert oder wie er seine Wohnung pflegen möchte. 

Diese tolerante Grundhaltung, die mehr Selbstbestimmung ermöglicht, sollte aus meiner Sicht unsere gesamte Gesellschaft einnehmen können. Sie ermöglicht unseren Mitarbeitenden, dass die Stützstrümpfe auch mal im Treppenhaus angezogen werden, weil es in der Wohnung keinen Platz gibt. Die Mitglieder dieses spezialisierten Teams schaffen es immer wieder, sehr innovative und individuelle Lösungen zu finden, und sie haben hervorragende Fähigkeiten in der Beziehungsgestaltung. 

Es ist wichtig, dass wir auch diesen Personenkreis in ihrem Zuhause unterstützen. Die Alternative wäre eine Unterbringung im Pflegeheim mit mehr Strukturen und Regeln, was schwierig würde. Dank Spitex Zürich können diese Personen als wertgeschätzter Teil unserer Gesellschaft weiterleben. 

… und ein Team kümmert sich auch um junge Erwachsene … 

Ursina Zehnder: Ja, das ist unser Mental Health U25-Team. Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene leiden an psychischen Erkrankungen. Es ist wichtig, dass die Behandlung im direkten Umfeld der Jugendlichen stattfindet. Eine grosse Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit den Eltern, den Schulen und den Familienbegleitungen. Im Umgang mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen stehen aktuell zwei Gruppen im Fokus: einerseits die Begleitung von Menschen mit Autismus und andererseits Personen mit Migrationshintergrund. An diesen beiden Schwerpunkten arbeitet das Team aktuell intensiv, damit wir die auf diese Zielgruppe ausgerichteten, spezialisierten Leistungen noch besser erbringen können. 

Wie sieht die Zukunft von Mental Care aus? 

Daniela Bühler: Zweifellos haben wir schon viel erreicht und darauf können wir stolz sein. Jetzt müssen wir Erfahrungen sammeln und die gemeinsame Haltung weiterentwickeln. Wir haben die Grundlagen und Strukturen dahingehend entwickelt, um in Zukunft dem wachsenden Bedarf an ambulanter psychosozialer Unterstützung mit hoher Pflegequalität und Effizienz zu begegnen.