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Achtung, Wunde, fertig, los!

«Wir besuchen heute drei Kunden und Kundinnen mit verschiedenen Wunden», erklärt die spezialisierte Wundexpertin Andrea gleich zu Beginn. Fast 60 % der Wunden, die sie behandelt, lassen sich auf die Ursache der chronisch venösen Insuffizienz zurückführen. Das bedeutet, dass die Unterschenkel unzureichend durchblutet sind. Dies führt zu krankhaften Veränderungen an den Blutgefässen, dem Bindegewebe und der Haut. In der Folge kann es bei einem Anstossen passieren, dass die Haut aufreisst und Wunden hinterlässt, die danach nur schwer verheilen.

«Ich bin einfach zu schnell!»

Nach der Tagesplanung im Büro geht’s mit dem Velo zur ersten Kundin. Die aufgestellte Österreicherin freut sich sichtlich über den Besuch. Während Andrea den Wundverband entfernt, erklärt Frau H. verschmitzt: «Ich habe mich an der Autotür gestossen. Das ist mir am anderen Bein schon mal passiert mit dem Geschirrspüler und der Bettkante. Ich bin einfach zu schnell». Frau H. ist eine Kundin, die an einer chronisch venösen Insuffizienz leidet. Andrea untersucht und säubert die Wunde und frischt die Wundränder auf. «Die Wunde ist wieder 2 Millimeter kleiner als letzte Woche». Seit April ist die Wunde von 4,5 cm auf 1,8 cm geschrumpft. Frau H. ist sichtlich begeistert von der Wundexpertin und meint zum Abschied, dass sie bei ihrem nächsten Untersuch im Spital vermelde, dass Andrea die ganze Arbeit geleistet hätte und für diesen Erfolg verantwortlich sei.

Unterdessen klingelt das Telefon. Eine Kollegin braucht eine kurze Information wegen einer Wunde eines anderen Kunden. Andrea ist als Wundexpertin bei ihren Kolleginnen und Kollegen sehr gefragt. Die diplomierte Pflegefachfrau arbeitete jahrelang im Unispital, unter anderem im OP und in der Dermatologie und entschied sich daraufhin, die Zusatzausbildung zur Wundexpertin zu absolvieren. Bereits seit zwei Jahren ist sie bei Spitex Zürich im Einsatz. «Es fasziniert mich, dass wir immer wieder Erfolge erleben. Das ist das Schönste an meinem Beruf».

Anspruchsvoll und abwechslungsreich

Beim nächsten Kunden befindet sich die Wunde ebenfalls am Bein. Schuld daran ist unter anderem ein Lymphproblem, das seine Beine anschwellen und Hautstellen aufreissen lässt. Herr N. leidet sichtlich darunter, denn die Wassertabletten, die er dreimal täglich zu sich nehmen muss, lösen bei ihm Schwindel aus. Nach der Wundversorgung muss Andrea einen Kompressionsverband binden. «Das ist unschön in der Hitze, denn der Verband besteht aus drei Schichten inklusive einer aus Watte. Aber wenn wir die weglassen, wird der Kompressionsdruck nicht richtig aufgeteilt und es könnten sogar neue Wunden entstehen».

Auf dem Weg zur letzten Kundin am heutigen Morgen verfärbt sich der Himmel düster. Gerade bei Frau B. angekommen, entleert sich der Himmel in einem stürmischen Sommergewitter. «Ich musste gleich alle Lichter anschalten» meint Frau B. lachend und legt sich auf die vorbereitete Couch. Im Spital wurde ihr ein Stück Sehne entfernt und die zurückgebliebene Wunde verheilt nicht. Beim Spülen entdeckt Andrea, dass die Wunde unterminiert ist – also unter der noch intakten Hautschicht weiterreicht und sozusagen eine Höhle hinterlassen hat. Das Wundgel versucht sie entsprechend auch innerhalb dieser Wundhöhle zu verteilen.

Oft trifft Andrea Situationen an, bei denen sie neu beurteilen muss, was die beste Herangehensweise ist. Die unerschrockene Expertin hat sogar mal bei einem Kunden eine komplett abgestorbene Hautschicht einer Hauttransplantation mechanisch debridiert. Das heisst mit Hilfe von Pinzette, Ringcurette und Skalpell entfernt und ihm damit den Gang in das Spital erspart. Der 89-jährige Kunde war so glücklich darüber, dass er sie kurzerhand zum Essen eingeladen hat. «Das war mein grösstes Erfolgserlebnis», meint Andrea zum Abschluss.

Spitex Zürich hat 17 Wundexpertinnen und -experten, die alle Kundinnen und Kunden der Stadt Zürich behandeln. Was es für die Ausbildung zur Wundexpertin braucht: Abgeschlossene Ausbildung zu dipl. Pflegefachfrau oder -mann HF oder einen Bachelor of Science (BSc) sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung in der Wundbehandlung in Institutionen wie Spitälern, Kliniken, Heimen, Spitex oder Ambulatorien.