Am Dreiländerkongress der Pflege in der Psychiatrie, der in Wien stattfand, stellte Sandra Jäggle, Pflegeexpertin APN das Thema „der Psyche durch Bewegung etwas Gutes tun!“ vor.
Spitex Zürich Betrieb Sihl betreut jährlich rund 340 Kundinnen und Kunden mit psychiatrischen Diagnosen oder in psychosozialen Belastungssituationen. Viele Betroffene verfügen nur über ein kleines soziales Netz oder leiden unter Einsamkeit. Je nach Krankheitsbild haben Betroffene den Zugang zu sich selbst verloren, können psychische oder physische Bedürfnisse oder Warnsymptome des Körpers nicht mehr wahrnehmen.
Leitlinien empfehlen die Anwendung von Bewegungsinterventionen für psychisch erkrankte Menschen. Neben der Förderung der Körperwahrnehmung können im Rahmen von Gruppentherapien Sozialkompetenzen gefördert und Anschluss zu anderen gefunden werden. Bestehende Angebote wie Tageskliniken oder diverse öffentliche Sportangebote verlangen in der Regel eine hohe Verbindlichkeit mit regelmässiger Teilnahme oder sind kostspielig. Das kann für Betroffene eine Hürde darstellen.
Aus diesem Grund hat Spitex Zürich Betrieb Sihl 2019 die Bewegungsgruppefreizeit ins Leben gerufen, welche durch eine ausgebildete Tanz- und Bewegungstherapeutin PSFL geleitet wird. Wir haben Sandra Jäggle, Pflegeexpertin APN dazu drei Fragen gestellt:
Wie wichtig ist die Niederschwelligkeit des Angebots?
Eine hohe Verbindlichkeit schreckt langjährig psychisch erkrankten Menschen ab oder hat in der Vergangenheit zu Therapieabbrüchen geführt. Für Betroffene bedeutet die Niederschwelligkeit, ohne Druck am Gruppenangebot teilnehmen zu können. Es ist OK, wenn mal nicht teilgenommen wird, weil es gerade vielleicht nicht gut geht. Die Betroffenen sind trotzdem weiterhin willkommen. Das Angebot ist für unsere Spitex Kundinnen und Kunden gratis, was sicher eine weitere Hemmschwelle nimmt. Ich bin sehr froh, dass die Spitex Zürich als Organisation dies ermöglicht.
Welche Aspekte der Bewegungsgruppefreizeit sind am wichtigsten?
Der soziale Aspekt spielt für mich die wichtigste Rolle. Austausch mit anderen, sich in eine Gruppe einfügen, überhaupt mit anderen Menschen zu reden, die nicht zu einem therapeutischen Netzwerk gehören. Das haben manche Betroffene schon lange nicht mehr gemacht. Es stärkt das Selbstwertgefühl und hilft ein Stück aus der sozialen Isolation. Teilnehmende treffen sich auch ausserhalb der Gruppe oder ohne Gruppenleitung. Das werte ich als riesigen Erfolg der sozialen Integration.
Zudem wird die Gruppe mit Christine Jörin durch eine Erfahrene Tanz- und Bewegungstherapeutin geleitet, welche Psychiatrie und Pflegeerfahrung mitbringt. Sie leitet die Gruppe mit Leidenschaft und viel Engagement. Über Bewegung, Tanz und Spiel den Zugang zu sich selbst zu finden ist etwas ganz anderes als ein «kognitions-lastiges» Gespräch.
Wie werden die Kundinnen und Kunden auf das Angebot aufmerksam gemacht?
Mitarbeiter der psychosozialen Spitex schätzen ein, ob ihre Kundinnen und Kunden von dem Angebot profitieren könnten und machen eine Anmeldung an die Gruppenleitung. Das Gleiche machen die Mitarbeitenden der Psychiatrischen Poliklinik Zürich (PPZ). Das heisst die Teilnehmenden müssen entweder durch die psychosoziale Spitex oder dem PPZ betreut werden.
Innerhalb des Projekts Mind the Gap machen Pflegefachpersonen der Spitex Zürich und ärztliche Fachpersonen der Psychiatrischen Poliklinik gemeinsam Hausbesuche für eine tragfähige und niederschwellige Versorgung.