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Zukunft der Grundversorgung

Unsere Pflegeexpertin Sara Placido spricht im Interview über die zukunftsweisende Zusammenarbeit in der Grundversorgung zwischen der zmed und Spitex Zürich. Darin erörtert sie, wie die enge Kooperation zwischen Hausärztinnen und Hausärzten und Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten APN zu einer verbesserten Versorgung führt. 

Das Ehepaar Frau B. und Herr K. – beide seit langem Patienten des zmed-Hausarztes Thomas Gygli – beansprucht seit einiger Zeit die Leistungen von Spitex Zürich. Weil sich der Bedarf an Beratung erhöht hat, kontaktiert die fallführende Pflegeperson der Spitex ihre Arbeitskollegin Sara Plácido, eine von insgesamt 14 Pflegeexperten und Pflegeexpertinnen APN von Spitex Zürich. APNs verfügen über ein vertieftes Fachwissen und klinische Kompetenzen. Intra- und Interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein weiteres zentrales Element der Arbeit einer APN. Auch im Fall des Ehepaars B. und K. war die Zusammenarbeit mit Dr. Gygli eng. 

Die Kognition von Herrn K. hat sich in letzter Zeit verschlechtert. Seine Frau leidet zudem an einer COPD. Sie sei um mehr Beratung bezüglich ihres Partners dankbar, aber auch bezüglich ihrer chronischen Erkrankung, wie die Fallführende Pflegefachperson der Pflegeexpertin Sara Plácido mitteilt. 

Sara Plácido übernimmt daraufhin als APN (Definition siehe Infobox) einen regulären Einsatz beim Ehepaar, um die beiden kennenzulernen. In einem weiteren Beratungsgespräch führt die Pflegeexpertin bei Herrn K. einen Kognitionstest durch, den so genannten MMS/UT, Mini-Mental-Status Uhren- Test. Dabei stellt sie fest, dass Herr K. vermutlich an einer leichten kognitiven Beeinträchtigung leidet. Gemäss den Angaben seiner Partnerin war eine Demenz bisher nie ausführlich abgeklärt worden. Sara Plácido berät das Ehepaar bezüglich einer Demenzabklärung und empfiehlt ihnen, eine solche durchzuführen. Sie teilt den beiden zudem mit, dass sie sich mit ihrem Hausarzt Thomas Gygli austauschen werde. Nach dem Einsatz leitet die APN dem Hausarzt ihre Befunde weiter und bittet ihn darum, das weitere Vorgehen bei seinem nächsten Hausbesuch mit dem Ehepaar zu besprechen. Während des Austausches mit der Pflegeexpertin bestätigt Thomas Gygli, dass er denselben Verdacht hätte, was Herrn K. angeht und teilt ihr mit, dass er nun ein Antidementivum verordnet hat. Die neue Medikamentenverordnung wird dem betreuenden Spitex-Team ebenfalls weitergeleitet, damit die Medikamente neu gerichtet werden können. Zusätzlich wird die Medikamenteneinnahme vom Spitex-Team überwacht. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen der Fallführung, der Pflegeexpertin APN und dem Hausarzt kann eine potenziell gefährdende Situation beim Ehepaar K. schnell bemerkt und entsprechende Massnahmen eingeleitet werden. Im besten Fall können solch herausfordernde Situationen schwere Krankheitsverläufe oder gar Hospitalisationen verhindert werden. 

APN

 

Wir haben die Pflegeexpertin Sara Plácido und den Hausarzt Thomas Gygli gefragt, wie sie beide diesen zukunftsweisenden Weg in der Grundversorgung erleben.   

Welche Vorteile ergeben sich aus Ihrer Zusammenarbeit im konkreten Fallbeispiel des Ehepaars B. und K.? 

Thomas Gygli: Bei Herr K. konnte die APN eine Demenzabklärung machen und ihn dazu motivieren, ein Hörgerät zu organisieren. Dies erlebte ich als sehr positiv, weil die Kommunikation mit ihm seither wesentlich besser geworden ist! Als Hausarzt hatte ich schlicht nicht die Zeit, mit dem Patienten diese Angelegenheiten anzusprechen und durchzuführen. Bei Frau B. hatte Sara Plácido zudem festgestellt, dass sie Mühe mit dem Atmen hatte und mir davon berichtet. Obwohl ich von der zeitweisen Atemnot wusste, war mir nicht bewusst, dass diese im Alltag offenbar doch mehr belastend war, als ich es beim Hausbesuch punktuell feststellen konnte. Weil mich die APN darauf aufmerksam gemacht hatte, schaute ich genauer hin, konnte eine genauere Diagnose stellen, entsprechend rasch Therapiekonsequenzen einleiten. 

Sara Plácido: Thomas Gygli beantwortet stets zeitnah meine Fragen, die sich aus meinen Berichten an ihn ergeben, und bestätigt oft auch Massnahmen, die ich vorschlage. So hat er direkt einen Hausbesuch beim Ehepaar organisiert, um Blutwerte zu kontrollieren, weil ich ihn auf gewisse Symptome hingewiesen hatte. Ich fühle mich ernst genommen und das motiviert mich in meiner Arbeit. Dies kommt wiederum direkt den Patienten zugute. 

Mit welchen zusätzlichen Kompetenzen kann eine APN den Hausarzt entlasten? 

SP: Durch unsere Ausbildung verfügen wir über erweiterte Kompetenzen in körperlicher Untersuchung und vertiefteres medizinisches sowie pharmakologisches Fachwissen. Im vorliegenden Fallbeispiel habe ich beispielsweise eine ausführliche Anamnese und ein geriatrisches Assessment durchgeführt. Zusammen mit dem Spitex-Team erleben wir die Kunden kontinuierlich über einen gewissen Zeitraum im häuslichen Setting. So erhalte ich einen umfassenderen Eindruck über die Lebenssituation vor Ort. Meine Beobachtungen und Erkenntnisse halte ich in Berichten fest. Sie sind Grundlage für Absprachen mit verschiedenen Spezialistinnen und Spezialisten. So auch für den Hausarzt Thomas Gygli. Die kurzen Wege sparen Ressourcen und helfen, unerwünschte Folgen zu verhindern. Ein Beispiel: Ich sehe bei meinen Hausbesuchen, welche Medikamente Herr K. auf welche Art einnimmt und kann dem Hausarzt sofort melden, wenn ich nicht korrekte Dosierungen oder nicht korrekte Einnahmen beobachte und kann den Kunden gegeben falls im korrekten Umgang mit seinen Medikamenten beraten. 

TG: Die zusätzlichen medizinischen Kompetenzen und das zusätzliche fachliche Wissen einer APN sind von grossem Nutzen sowohl für die Patienten als auch für mich. Sara Plácido kann bei ihren Einsätzen auch Herz und Lunge abhören. Sie erstellt unter anderem Notfallpläne, die vor allem in palliativen Situationen sehr wertvoll sind. Diese Pläne legen fest, wer im Notfall wofür zuständig ist. Der Blick einer Pflegefachperson auf ein Problem eines Patienten ist anders als der Blick des Arztes. Diese zusätzliche fachliche Meinung finde ich sehr wichtig. Sie bildet einen zusätzlichen qualitativen Aspekt und ist für mich als Hausarzt eine Form von Supervision. Ich bin mit meinen Entscheiden oft allein, und die Sicht einer APN mit ihren zusätzlichen Kompetenzen schätze ich als „Zweitmeinung“ sehr! 

Wovon profitieren aus Ihrer beider Sicht die Betroffenen am meisten? 

TG: Der wichtigste Punkt für mich persönlich ist, dass die Patientinnen und Patienten mit der APN stets eine konstante Ansprechperson haben. Zentral ist auch der kontinuierliche Einblick, wie sich die Menschen in ihrem Zuhause leben und bewegen. In meiner Praxis erscheinen sie immer geduscht und gut angezogen. Aber wie sieht dies im Alltag aus, kommen sie da ebenso gut zurecht, klappt auch dort die Hygiene und die Körperpflege so, wie sie sollte? Den Punkt mit den Medikamenten hat Sara Plácido ja bereits angesprochen. Es bringt wenig, wenn ich eine andere Dosierung eines Medikaments verordne, wenn der oder die Betroffene das Medikament schlicht falsch einnimmt und es deshalb nicht so wirkt wie erwünscht. 

Worin sehen Sie allgemein die Vorteile einer interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und APN? 

SP: Das Gesundheitswesen entwickelt sich in eine Richtung, in der das ambulante Setting weiter gestärkt werden soll. Viele chronisch kranke Menschen möchten heutzutage vermehrt zu Hause bleiben und dort gepflegt werden. Ich beobachte, dass die Multimorbidität stark zunimmt. Pflege und Betreuung werden anspruchsvoller. Als APN können wir hier einen grossen Beitrag leisten. Durch erweiterte klinische Kompetenzen erkennen wir gewisse Komplikationen früh und können im besten Fall schlimmere Folgen verhindern. Die Anforderungen an alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, werden immer grösser, die Krankheiten immer komplexer. Zusätzlich herrscht Fachkräftemangel. Die Ressourcen einer APN sind sehr wichtig. Wir können zwar keine Verordnungen schreiben oder eigenständig Massnahmen einleiten, aber der Arzt oder die Ärztin hat durch unsere Arbeit rascher alle relevanten Informationen zur Hand, die er oder sie braucht, um dies zu tun. 

Worin sehen Sie für die Zukunft noch mehr Potenzial für die interprofessionelle Zusammenarbeit bzw. wie könnte diese noch gefördert/verbessert werden? 

TG: Was ich mir wünschen würde: einen Ausbau der Kompetenzen bei APN, was Medikamente und deren Verschreibung sowie Dosierung angeht. Ich profitiere sehr von qualifizierten Rückmeldungen zur Medikamenteneinnahme von Patienten und kann dementsprechend handeln. Ein grosses Thema gerade bei älteren, chronisch kranken Menschen, ist die Ernährung. Auch hier dürften APN noch mehr Kompetenzen erhalten, zum Beispiel in der Ernährungsberatung. Im häuslichen Setting, in der die APN Patientinnen und Patienten öfter sieht als ich, kommen Dinge wie Mangelernährung oder zu hoher Alkoholkonsum viel eher ans Tageslicht. Nicht zuletzt kann ich mir auch vorstellen, dass eine APN künftig zum Beispiel Grippeimpfungen in Eigenregie oder einfache therapeutische Massnahmen wie Atem- oder Entspannungsübungen selbstständig durchführen kann. 

SP: Ich würde mir noch mehr Aufklärung über unsere Rollen und Kompetenzen wünschen. Hausärztinnen und Hausärzte wissen zum Teil noch sehr wenig über unsere Arbeit. Dann würde ich mir noch mehr Möglichkeiten zum selbstständigen Agieren wünschen. Und nicht zuletzt würden wir mehr Austausch mit Hausärztinnen zum Beispiel bei gemeinsamen Hausbesuchen oder bei gemeinsamen Weiterbildungen begrüssen. Dabei lernt man sich persönlich kennen. Dies verbessert die Beziehung, das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit, was wiederum im Sinne von Patientinnen und Patienten ist.